Freitag, 25. Januar 2008

Mail an Nokia: Boykott

Kann man Nokia-Handys noch kaufen?
Würde man in einem Supermarkt um die Ecke noch einkaufen gehen, von dem man weiß, dass er seine Angestellten wie Vieh behandelt?
Vor wenigen Jahren hätte mich das alles noch ziemlich kalt gelassen, was hat das schon mit mir zu tun? Aber die fetten Jahre sind vorbei! Der Kampf da draußen hat schon lange wieder angefangen, auch wenn wir, die wir in den 80er Jahren mit dem Gefühl aufgewachsen sind, dass wir in einer Kuschelgesellschaft leben, immer noch wegschauen wollen. Wieso sollte die Wirtschaft im Großen moralischer sein als der Nachbar im Kleinen?
Stelle man sich die alte, einfache Frage:

Cui bono? Wem nutzt es?

Wem nutzt Hartz IV? Wem nutzt das neue Elterngeld? Wem nutzt eine allgegenwärtige Flexibilität? Wem nutzen ständig befristete Arbeitsverträge und monatelange unbezahlte Praktika? Wem nutzen Studiengebühren und Privatschulen? Wem nutzen niedrige Lohnnebenkosten?
Mir? Dir?
Die Fleischverkäuferin berichtet, dass ihre Arbeitszeiten in den letzten Jahrzehnten immer schlechter geworden sind: Erst fiel die Mittagspause weg, dann verlängerte sich abends die Öffnungszeit, schließlich steht sie jetzt auch samstags bis 20 Uhr hinter der Theke, für ein paar Kunden, der Laden ist fast leer. Kein bißchen Umsatz mehr, aber die Konkurrenz verlangt es eben, mitzuziehen. Der Chef will das so. Und das Gesetz, das es zwar nur möglich - nicht verpflichtend macht, aber die Entregulierung ist selbst ein Marktzwang, dem kein der Kokurrenz ausgesetzes Geschäft entkommen kann. Der Chef verdient wie vor dreißig Jahren. Die Verkäuferin verbringt jetzt ihre Samstag-Abende hinter der Fleischtheke anstatt bei ihren Enkeln. Verdient auch nicht mehr. Cui bono? Wem hat es genutzt?
Riester-Rente: Cui bono? Uns? Wir kommen doch im Alter höchstens auf plus-minus-Null, gleichzeitig fehlt und heute noch mehr im Portemonnai, der Arbeitgeberanteil an dieser Rente entfällt ganz. Die Versicherungswirtschaft verdient an den Verwaltungskosten mit - die garantierten Renditen sind mager. Dazu kommt die Inflation: Selbst wenn das rauskommt, was man uns heute anpreist - was ist das in 30 Jahren denn noch wert?
Wem nutzt das? Dir? Mir?
Die Gesellschaft driftet auseinander, noch langsam, aber wenn nicht nur einige wenige die Frage nach dem Wem-nutzt-das stellen sondern sich die Antworten auf diese Frage derart offensichtlich aufdrängen, dass keine neoliberale Rauchbombe sie mehr vor den Blicken der Gekniffenen verbergen kann, dann geht hier die Post ab.
Also bleibt nur, sich schon heute deutlich zu Wort zu melden.

Z.B. an Nokioa mailen, direkt an den Vorstand:
http://www.nokia.de/A4448052

Klar machen, dass diese Art von Firmenpolitik verachtenswert ist und zumindest einen Imageschaden angerichtet hat, der Nokia weh tun muss: Interessen vertreten, ist doch so einfach heute, per mail!
Aber sich auch in andere Debatten einmischen. Demokratie leben, die eine Lebensform ist und kein System. Auch hier besteht Bildungsbedarf!

Freitag Nacht

Es ist Freitag Nacht, ich muss überlegen, bevor ich mir sicher bin, welcher Wochentag heute ist. Das geht schon mehrere Tage so. Schuld ist der immergleiche Tagesinhalt. So viel Schreiben, so weit kommen mit der Arbeit wie nur möglich. Stundenlang hocke ich in meinem Zimmer und formuliere Wort für Wort, Zeile für Zeile, Absatz für Absatz. Wenn ich morgens die Datei wieder aufrufe und den Text des Vortages erneute lese, fängt sofort ein Vorgang an, der vielleicht mit dem Schleifen und Polieren eines Bildhauers vergleichbar ist. Ich glätte hier eine Formulierung, stelle dort einen Nebensatz um, streiche Ausdrücke und Phrasen, die mir beim zweiten Lesen regelrecht geckenhaft erscheinen, mit Unverständnis darüber, dass ich wirklich geglaubt zu haben schien, mir diese Unsinnigen Eitelkeiten durchgehen zu lassen. Bis ich an der Bruchstelle des Vortages angelangt bin, um den Text fortzusetzen, ist dann einige Zeit vergangen. Eine Springprozession, zwei Schritte vor, einen zurück. Gleichzeitig ist das ein Strudel, eine Kreisbewegung, die mich in den Text wieder und wieder hineinzieht. In das Schreiben hineinzieht, so daß die Zeit stehenbleibt. Sie vergeht nicht, sie bleibt stehen. So eine Art meditativer Zustand kommt auf, um den Preis, dass die Tage eine Einförmigkeit annahmen, die mich vom Leben abschneidet. Nichts richtiges passiert, nichts bewegt sich, es gibt auch nichts zu erzählen, wenn meine Frau abends nach Hause kommt. Mich interessiert eigenartiger Weise auch nichts mehr von draußen. Ein Zwischenreich. Schweben - aber in einer Leere, die mich auf Dauer eingehen läßt. Es kommen inzwischen auch kaum noch emails an. Von wem auch? Alle Kanäle sind auf Empfang geschaltet, das Handy liegt immer griffbereit neben mir und dient doch nur dazu, mit meiner Frau kurz zu vereinbaren, wann sie von der Arbeit kommt. Wenn dann mal das Telefon klingelt, lassen wir den Anrufbeantworter drangehen. Erst mal hören. Ich glaube, dass jeder Dorfbewohner der südlichen Sahara ein engmaschigeres soziales Netz besitzt als ich, der ich mit allen Kommunikationsmitteln der moderne mitten in einer deutschen Universiätsstadt wohne. Immerhin treffen wir uns mit den Nachbarn einmal in der Woche zum Sport. Dass ich mich darüber mal so freuen würde, wer hätte es gedacht..
Den Umstand, um diese Uhrzeit noch bloggen zu können, verdanke ich meiner Aussperrung aus dem gemeinsamen Schlafzimmer, die mir mein kontinierlich stufenlos lauter gewordenes Schnarchen in den letzten Wochen beschert hat. Eine weitere, kleine Isolation. Die Pritsche, auf der ich nun versuche, meine Nachtruhe zu gestalten, ist unglaublich unbequem und verstärkt die Rückenschmerzen noch, die mir mein Dauersitzen und die stetig wachsende, furchtbar unästhetische Kugelwampe ohnehin bereiten. Für Diäten und regelmäßigen Sport reichen die Nerven im Augenblick nicht aus. Spaziergänge wären schon schön, aber selbst die kriege ich im Augenblick kaum hin.
Letzte Nacht hab ich bis 2 Uhr gebraucht, um genug Müdigkeit zum Einschlafen aufzusammeln, vor dem Fernseher, schlimmstes Programm. Jetzt ist es schon wieder fast Mitternacht.