Freitag, 12. Oktober 2007

Zweifelhafte Arbeitsgelegenheiten

Eine wissenschaftliche, qualitative Studie belegt, was auch in der täglichen Praxis mit Arbeitslosen immer offensichtlicher wird: Die Zweifelhaftigkeit von Arbeitsgelegenheiten (sog. "1-Euro-Jobs").
Was mich am meisten erschreckt: Wir erleben in der täglichen Auseinandersetzung mit der ARGE, wie die Hartz IV - Gesetzgebung und das dahinter verborgene Menschenbild eine Argumentations -und Machtgrundlage für Sachbearbeiter bilden, mit unglaublicher Überheblichkeit das Leben von Menschen durch Druck ("Zuckerbrot und Peitsche") zu lenken.

Was hinter den Arbeitsgelegenheiten steht, ist nämlich der Druck von Sanktionen, also konkret, dass der Arbeitslosengeld-2-Bezug, der ja in voller Höhe eigentlich schon nicht mehr das Existenzminimum abdeckt, noch einmal um bis zu 30% reduziert werden kann (jedenfalls im Regelsatz). Hier geht es nicht um Wegfall irgendwelcher Anreize, auch nicht um Armut (Alg2 bedeutet schon an sich Armut), hier geht es dann um die nackte Existenz.

De facto kann man in Deutschland das Grundrecht der Menschenwürde also doch verwirken. Das dies von einer politischen Mehrheit so gewollt ist, macht schon nachdenklich...

Hierzu auch ein weiterer Artikel.

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Lebensthemen

Zwei Themen aus der Lebenskunstphilosophie begegnen mir auch während der Arbeit mit ratsuchenden Menschen immer wieder: Selbstmächtigkeit und Strukturen.

Selbstmächtigkeit als Grundlage jeder Lebensgestaltung und Ausführung der Selbstgesetzgebung (Autonomie im Wortsinne): Nur wer über sich selbst verfügen kann, schwingt sich in den Subjektstatus auf, der Voraussetzung für ein erfülltes Leben in der Moderne zu sein scheint.

Die Erkenntnis von Strukturen als außerhalb meiner Macht liegender Daten in und außer mir selbst, mit denen zu umzugehen ist. Die Qualität des Umgangs mit Strukturen korelliert mit dem Grad des Gelingens meines Lebens. Seneca hätte wahrscheinlich von der Einsicht in Notwendigkeiten gesprochen, denen man sich nicht entgegenstellen darf, die man nicht nur zu aktzeptieren hat sondern die man annehmen muss mit voller Bejahung, wenn man an ihnen nicht unglücklich werden will. Die Erkenntnis der Strukturen ermöglicht erst die Sicht auf die fluiden Zwischenräume der Gestaltung, die unser Leben lebenswert machen können.

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Nachtrag Anne Will: Bahnprivatisierung

Hier noch ein lesenswerter Beitrag zu den Interessen, die hinter einer Bahnprivatisierung stehen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=2678

Bewusslosigkeit

Zufälliger Fund:

"Die Bewusstlosigkeit eines abgetrennten Kopfes hingegen ist massiv."
(Quelle: Wikipedia)

Gegen die Wiedergeburt der Religionen

Sehr lesens- oder hörenswert: M. Greffrath: Die Renaissance ist nicht zu Ende (DLF, Essay und Diskurs)

Breaking News: Johannes B. Kerner gefeuert!

Jedenfalls müßte dies geschehen, wenn man sich die Hinrichtung ("Schauprozeß" wäre treffender, darf aber - wie die Sendung zeigt tunlichst niemand sagen - ich bin gespannt ob sich ein Kommentator traut!) von Eva Herman noch einmal anschaut.

Ich bin in der Sache nicht Hermans Meinung.

Aber so kann man von Gebührengeldern kein Fernsehen machen. Demokratie beruht nicht nur auf bestimmten Inhalten sondern vor allem auch auf Formen, die hier auf das Gröbste und vermutlich mit voller Absicht mißachtet worden sind.

Ich bin zutiefst erschüttert, in welche Medien- und Propaganda-Mechanismen man selbst im Öffentlichen Fernsehen geraten kann: In der Sache argumentativ und unangespitzt in den Boden diskutiert zu werden, muss jeder ertragen können, der sich dieser ohnehin schon brutalen Öffentlichkeit aussetzt. Aber in dieser bösartigen, unanständigen Form regelrecht hingerichtet zu werden, ist noch nicht einmal einem CSU-Generalsekretär zu wünschen!

Dienstag, 9. Oktober 2007

Tagesstruktur

Wenn man weiß, wer der Böse ist, dann hat der Tag Struktur! (V. Pispers)

Montag, 8. Oktober 2007

Anne Will: Bahnprivatisierung

Ich habe mir, nach dem Lesen einer Rezension der Sendung, die Aufzeichnung des Streitgesprächs via Internet einmal angeschaut.

Mir schienen die Gegner von Hr. Mehdorn nicht besonders fundiert informiert zu sein, besonders wenn es um die eigentumsrechtlichen Fragen der geplanten Privatisierungen geht.

Kann es sein, dass man den Fachleuten, auch den Fachpolitikern, zugestehen muss, komplizierte Regelungen nicht unbedingt in zwei Minuten auf den Punkt bringen zu können, auch wenn sie für den sog. Otto-Normal-Verbraucher unverständlich bleiben aber vielleicht doch für ihn von Vorteil sind? Ich würde in meinem Fachbereich nicht für mich in Anspruch nehmen, sämtliche Sachverhalte auf dieses Niveau herunterbrechen zu können (viele Ingenieure, Mediziner und Informatiker bestimmt ebenfalls nicht, auch wenn ihre Arbeit deshalb nicht gleich allgemeinschädlich sein wird!)
Was ich nicht verstehe: Wenn Herr Mehdorn doch jetzt schon (als Quasi-Staatsdiener) ohne Privatisierung Gewinne einfährt und diese Erwartungen auch weiterhin bestehen, warum kann man dann nicht getrost Steuergelder (statt Privatkapital) in die Bahn pumpen und (auf durch welche rechtlichen Konstruktionen auch immer) die zu erwartenden satten Renditen wieder in die Bahn (Unternehmen /Netz) rückinvestieren?? Dies würde entweder das Angebot bzw. die Ausstattung der Bahn verbessern oder aber den jährlichen Steuerzuschuss zum Netz aus der Steuerkasse mindern. Wieso also diese vermeintlich sicheren Gewinne den privaten Kapitalgebern in den Rachen werfen und nicht dem Steuerzahler zugute kommen lassen? Oder will hier niemand die Verantwortung für den Verkauf der Nachricht an die Wähler übernehmen, dass man zunächst Steuerkapital in die Hand nehmen muss, um dann mittelfristig die Zuschüsse senken zu können? Aber auch dies wäre letztlich wieder das Problem mit dem Zutrauen gegenüber den Wählern und ihrer Fähigkeit zu komplexem Denken. Es fehlt vielleicht der Mut des Arztes, der seinem Patienten versichert: Die exakten Abläufe der Operation kann ich ihnen aufgrund der Komplexität nicht im Detail erläutern, aber es wird ihnen nachher wieder besser gehen.

Im Kern geht es für mich deshalb darum, die politischen (nicht die fachlichen!) Konsequenzen der möglichen Entscheidungsalternativen klar herauszuarbeiten (im Bild: die unterschiedlichen Folgen medizinischer Eingriffe). Dann kommt man allerdings um Fakten nicht herum (Hr. Plasberg versucht dies in seiner Sendung mit vielen Zwischenfilmen zu leisten), ansonsten verheddert sich die Diskussion in Statistikbehauptungen, die nicht geklärt werden können.

Samstag, 6. Oktober 2007

Ästhetik der Funktion

Es gibt so etwas wie die Ästhetik der Funktion. Einfacher ausgedrückt: die Freude am schönen Funktionieren.

Ich habe einen Schulfreund, der über diese Freude ganz die Funktion an sich vergißt und auf diese Art und Weise optimale Möglichkeiten herstellt und sammelt (für nicht wenig Geld), ohne sie jemals wirklich zu nutzen, jedenfalls über ein Ausprobieren hinaus.

Eine Balance zwischen pragmatischer und ästhetischer Haltung ist erforderlich, um weder in eine Kulturlosigkeit noch in eine Wirklichkeitslosigkeit abzugleiten.

Freitag, 5. Oktober 2007

Water Kempowski : Plankton

Sehe gerade ein Interview (SWR) mit Walter Kempowski. †

Er nennt die vielen kleinen Geschichten, die er in Form von Tagebüchern und privaten Zeitzeugnissen gewöhnlicher Menschen sammelt und verarbeitet, Plankton. Kleine, lebendige Organismen, die dem Volk gehören, überlieferungswert sind. Seine Arbeit, diese "planktösen" Teilchen einzusammeln, aufzubewahren und vor allem aufzuarbeiten, beschreibt er als eine demokratische, indem er diesen vielen Menschengeschichten eine Stimme verleiht.

Ich meine, es ist vor allem die Leistung, zwischen diesen Planktonteilchen einen Zusammenhang herzustellen; denn Zusammenhang (also hergestellte Ordnung) ist sinnstiftend, jedenfalls eine notwendige Bedingung für Sinn. Und auch nur unter dieser Bedingung ist sein Werk eine Werk und keine bloße (An)Sammlung.

Nichts anderes leistet die qualitative Sozialforschung in ihrer Tradition der Alltags- und Lebensweltnähe: Geschichten in einen Zusammenhang zu stellen und auf diese Weise eine höhere Ordnung, eine Form von Theorie in die Wirklichkeit zu bringen.

Juli Zeh: Ideentrampoline

Büchern muss man ebensolche Lebensspuren ansehen, wie sie das Dasein bei Menschen hinterläßt. Da sie aber die Eigenschaft haben, nur mit und durch den Menschen lebendig werden zu können, ist dieser Lebensgeber in der Verantwortung für die notwendigen Spuren in ihrem Antlitz selbst zu sorgen. Juli Zeh gehört scheinbar zu diesen Lebensspurenschenkern: Sie knickt, markiert, kommentiert und erfindet - Bücher nutze sie als "Ideentrampoline".
Bücher haben, ganz im symbolisch-interaktiven Sinne, nur eine Bedeutung, wenn wir (und damit ist in dialektischem Sinne immer auch der einzelne, konkrete Leser gemeint) ihnen diese Bedeutung immer wieder von neuem verleihen. Also versagen wir sie ihnen nicht und hinterlassen Zeichen unserer Wertschätzung für die Lebens- und Bedeutungsbegleitung!

Donnerstag, 4. Oktober 2007

Lokführer, Streik, Sputnik, Grubenunglück, Myanmar

Dieser 04. Oktober ist ein müder Tag, mit wenig Aufregendem. Das Wetter ist lau, ich renke mir die Kiefer beim Gähnen aus und auch der Blick auf heute.de lockt einen nicht aus der Lethargie hervor. Die Augen kommen beim Lesen dem Text nicht richtig hinterher, die Finger vertippen sich bei jedem zweiten Wort und außerdem ist kein Brot mehr da. Die Brotbackmaschine müßte gefüttert werden, aber wie soll das an so einem Tag funktionieren? Ich langweile mich.

Meine Frau ist noch bei der Arbeit, die Beine sind für eine Jogging-Runde zu schwer, viel zu schwer. Im Fernsehen läuft nur Hühnergülle, ich kann nicht schon um 17 Uhr mit Wein anfangen - wo führt das hin? Mein Zahn tut weh, vielleicht sollte ich ihn einfach in Ruhe lassen und nicht immer mit der Zunge nachfühlen, ob alles in Ordnung ist und wenn nicht, wie sich der Schmerz so anfühlt, immer und immer wieder. Eine Zeitung ist nicht da, Bücher sind zu schwierig in dieser aussichtslosen Lage, Internet ist zu beliebig, selber Schreiben stößt an die Grenzen, Du merkst es ja gerade.

Habe gestern einen Text gelesen, deutsch - vermeintlich, wollte schon die verrückte Sprache, eine ganz ausgetüftelte, verstellte Sprache als ein verblüffendes Konstrukt loben, bis sich herausstellt, dass es eigentlich eine englischsprachige Homepage war, die mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms automatisch ins Deutsche übertragen worden war. Schade! Was wäre das für ein Spitzenfreak gewesen, der sich einen solchen Sprachsyntax auszudenken vermag, von der Wortwahl einmal ganz zu schweigen.

Mir ist jetzt auch etwas übel, es könnte an der exzessiven Mundspülung liegen oder an der Gesamtdaseinsübelkeit. Zu wenig Schlaf, sage ich mir vor, es ist einach der fehlende Schlaf der letzten Nacht, weniger als 6 Stunden, das reicht nicht, um Glücksgefühle durch bloßes Dasitzen am nächsten Tag in Wallung zu bringen.

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Schöne Schreibgeräte

Noch einmal zu Schreibgeräten: unter http://www.ka-we-co.de/shopkaweco/ sind Taschenfüllhalter zu finden, die von der Traditionsmarke Kaweco hergestellt werden. Ein altes Exemplar aus familiären Erbbeständen befindet sich in der Ausführung eines Kolbenfüllers in meinem Besitz. Der Tintentank ist allerdings so klein, dass er sich für längeres Schreiben nicht eignet. Ich komme einfach um eine Neuanschaffung nicht herum :-)

Stiftwahl

Hier noch links zu Menschen, die über ihre Stiftwahl schreiben:

percanta: Bücherstöckchen
http://idotter.ch/wp/2007/08/10/schreiben-einer-diplomarbeit/
http://vorsprung-durch-technik.blogspot.com/2007/09/blumentopf-block-und-bleistift.html
http://blog.yoda.ch/?p=1485
http://www.studenten-welt.de/blog/spickzettel-20/
http://www.zeitlupenbaer.de/?p=708
http://www.remaklation.de/2007/09/08/endlich-mal-wieder-ein-ordentliches-schreibgeraet/

Blackwater

Dem YouTube-Betrachter sind die Umstände unbekannt. Er sieht nur den Akteur des Geschehens: Ein Mann hockt mit seinem automatischen Gewehr hinter einer Mauersims, visiert durch das Zielfernrohr und feuert, ohne dass die Kamera zeigt, auf was er schießt und ob er trifft. Er feuert gezielt und regelmäßig. Vermutlich könnte jeder Schuss den Tod eines Menschen bedeuten.

Das Unwirkliche an der Situation ist die Unaufgeregtheit, ja fast Schießbudenstimmung, die zwar sportlich angespannt aber doch so weit weg von einem ernsten, tödlichen Handlungsakt entfernt ist. So nah an jemanden zu sein, der vermutlich gerade Menschenleben auslöscht und es einfach sportlich betreibt - seinen "Job" macht, wie unsere amerikanischen Freunde ihre Einstellung zum Leben weltweit sprachlich verbreitet haben.

Das alles wird weltgeschichtlich gesehen nicht neu sein. Neu ist aber, dass wir alle potentiell so nah mit am Geschehen dabei sind. Dass wir uns nicht mehr hinter einem vermutlich gerechten Krieg verstecken können sondern mit eigenen Augen sehen, was Krieg und Kampf bedeuten.

Fast möchte man meinen, dass es ein Glück für uns ist, auf solche Bilder durch ein ausreichendes Mass an Gewalt in Fernsehserien vorbereitet worden zu sein. Eine Art von visuseller Desensibilisierung!

Dienstag, 2. Oktober 2007

Hamlet

Eine Billigausgabe im Paperback von allen Shakespeare-Dramen liegt auf meinem Nachttisch. Ich werde mir Hamlet als erstes vornehmen, um eine Lücke in meiner literarischen Bildung etwas zu dichten (im wahrsten Sinne).

Randbemerkungen und Unterstreichungen mit Bleistift oder Kugelschreiber? Es hört nicht auf ...

Säufer

Eine Frau aus Kasachstan sagt mir in einem Gespräch, dass wir Deutschen viel zu weich sind. Ihr Mann ersäuft gerade seine Arbeitslosigkeit in Wodka und keiner kann ihn daran hindern. In Kasachstan würde ihn die Polizei für einen Monat von morgens bis abends zu einem harten Arbeitseinsatz unter ständiger Aufsicht zwingen. Er wäre schlicht zu müde, um zu trinken.
Hier in Deutschland schauen wir im Zweifel zu, wie er sich und seine Familie ersäuft. Sozialarbeiter, Jugendamt, ARGE, Polizei. Solange er niemanden tätlich angreift, geht es unaufhaltsam abwärts.
Auch so können Migrationsprobleme aussehen...

Gabriele Pauli

Habe sie heute mit Seehofer, Beckmann und Illner talken sehen. Sie ist mir ein bißchen zu emotional, macht aber ansonsten einen ganz wachen Eindruck. Ich war zugegeben beeindruckt, wie selbstbewußt sie bei dem Parteitag vor ihre "Freunde" getreten ist und ihre (angebliche) Meinung geäußert hat. Vielleicht können wir nur nicht glauben, dass sie einfach nur sagt, was sie denkt, und vermuten mannigfaltige Winkelzüge und psychische Kompensationsmechanismen als Ursache dieses abnormen Verhaltens?

Checklisten

Wer sein Leben abhaken möchte, findet genug Material unter www.checkliste.de.
Bin über die Suche nach Literatur zum Projektmanagement auf die Seite gestoßen. Hat sich aber nicht als besonders profitabel herausgestellt. Bin trotzdem erstaunt, worüber man alles Checklisten führen kann.

Bleistift

Habe den Bleistift für mich als Schreibgerät wiederentdeckt. Er besitzt diese Aura des Geistigen, die Schlichtheit und Natürlichkeit, welche noch ein bißchen an Natur und Griffel erinnert, aber er hat auch den Anstrich der Vorläufigkeit, die Randnotizen und Unterstreichungen schon materiell zu einem Essay machen und den Anschein des Intellektuellen inkorporieren; denn man könnte sie wieder ausradieren, was natürlich nicht geschieht. Der Schriftzug an sich enthält dadurch den Charakter des Konjunktiv, und was wäre intellektueller als der Konjunktiv? Einher geht notwendig die Blässe des Schriftbildes, jedenfalls bei gewöhnlichen Härten des Stiftes (weichere haben den Nachteil des Verwischens, machen aus einer Vorläufigkeit eine allzuschnelle Vergänglichkeit).
Manchmal ist mir auch nach einem billigen Kugelschreiber zumute. Klare, unauslöschbare Kommentare in die Seiten gravieren. Stellung beziehen, gesehen werden und bleiben. Lesbarer ist er schon, aber so alltäglich, so stillos und schriftvermaledeiend.
Der gute alte Füller eignet sich für längere Texte, am besten auf großem Format. Ein Stift für tragende Neben- und Ausätze.
Es kann schon einmal sein, dass ich lange vor meinen Stiften stehe, bevor ich mich entscheiden kann, welchen ich heute zum Schreiben mitnehmen werde. So wird es wohl auch bleiben.

Sonntag, 23. September 2007

Glauben als Virus?

Wenn Richard Dawkins jeglichen religiösen Glauben als Virus darstellt, ist das sicherlich eine terminologische Zuspitzung (http://wind.penzeng.de/Viren.htm). Die Frage ist aber vielmehr, ob die generelle Einschätzung der Gefährlichkeit einer Glaubensempfänglichkeit zutrifft. Vielleicht handelt es sich bei religiösem Glauben um die Zweckentfremdung und Pervertierung einer Bewußtseinsfunktion, die in bestimmtem ontogenetischen und phylogenetischen Entwicklungsstufen nicht nur unschädlich sondern sogar notwendig ist bzw. gewesen ist. Denn letztlich ist unser Wissens insgesamt ja wissenssoziologisch betrachtet an sich nichts anderes als legitimierter und sanktionierter Glaube. Es stellt sich eher die Frage nach der Güte der jeweiligen Legitimationssysteme; z.B. ob neben einer sozialen Rückbindung des Wissens auch so etwas wie eine naturalistische, objektive Rückbindung (jedenfalls in Bezug auf die Grenzziehung von Wirklichkeitsaussagen) existiert. Dann wäre nebe der notwendigen gesellschaftlichen Determination von Wissen eine Rückkoppelung an die Validität eigener Erfahrungen und deren Reflexion im Sinne Deweys möglich und würde zu einer Wissenssteigerung, jedenfalls aber einer permanenten Wissenskorrektur im Falle von irrealen, nicht mehr vertretbaren Abweichungen hinführen, Dawkins würde sagen: Zu einer Vernichtung des viralen Codes.

Die Bewußtseinsfunktion "Glauben" i.S.d. unhinterfragten Übernehmens von unüberprüften Wirklichkeitsplatzhaltern ist ebenso notwendig wie die Funktion von "Vorurteilen". Da es sich um Funktionen und nicht um Inhalte handelt, werden sie wahrscheinlich auch nicht auszurotten sein, weder durch bloße Argumente noch durch ein Darkinsches Antivirusprogramm. Entscheidend ist allein, ob und wie wir lernen, mit dieser Funktion umzugehen. Der Mensch steht also vor der Organisation, der Gestaltung eines allgemeinen Bildungsproblems. Gelingt es ihm, diese Bildungsoption in seinem sozialen System zu etablieren, könnten die Fehlanwendungen der Glaubensfunktion, zumindest im Grundsatz, vielleicht verhindert oder minimiert werden.

Letztlich ist dies eine allgemeine Frage der Lebenskunst, des alltäglichen wie auch wissenschaftlichen Welt-Denkens, das in einer ausgebildeten Form nicht als gegegben anagenommen werden darf sondern als immer wieder, von Generation zu Generation - mit wechselnden Inhalten - als ein zu Tradierendes und Wiederherzustellendes begriffen werden sollte.

Dienstag, 18. September 2007

Wählen

Es ist im Kern eine Frage der Wahl: Brauche ich das alles? Brauche ich den Laptop und den DSL-Anschluss oder reicht mir nicht ein Bleistift und Papier? Brauche ich ein Auto oder reicht mir ein Fahrrad und die Bahn? Brauche ich einen neuen Fernseher oder genügt mir ein Leihausweis für eine Bibliothek?

Wir leben in einem Zeitalter, in dem so leicht und so günstig wie nie Kulturgegenstände verfügbar sind. Es ist eine sich überschlagende Hatz der fortschreitenden Mittel, bei der die Ziele überrannt werden und immer mehr verloren gehen. Hier ist das Zentrum der Wahl: der Zweck, das Ziel, die Mitte.

Ich ahne, dass ein lebenszentrales Kriterium nicht nur Ordnung sondern auch eine erlösende Einfachheit und Zufriedenheit in das Leben bringen könnte. Ein fixes Thema, das sich um die neuesten technischen Generationen von Mitteln nicht kümmert sondern auch mit Produkten der erwschwinglichen, vielleicht schon fast wertlosen 3. und 4. Reihe Vorlieb nimmt - ohne Schaden zu erleiden.

Was könnte ich alleine mit diesem Laptop anstellen - ein tragbares Komplettbüro, wie ich es mir immer gewünscht habe. Immer mehr wird es aber zu einem Ersatzfernseher, zu einem bloßen Passivinstrument der Unterhaltung und des Konsums.

Was war es für eine phantastische Vorstellung, dass man einmal mit einem Textverarbeitungsprogramm zeitungsgleichen Blocksatz herstellen könnte. Welche Publikationsmöglichkeiten würden hierdurch entstehen! Heute ist es ein profanes Leistungsmerkmal eines jeden Textverarbeitungsprogramms, das nebenbei auch noch Grafiken einbinden und Duplexdruck organisieren kann. Doch nutzen tue ich es nicht mehr. Keine Vereinszeitschrift, keinen Newsletter, keine sonstigen Veröffentlichungen. Höchstens mal ein Konzept für die Arbeit oder eine Seminararbeit für die Uni. Das hätte aber auch die alte Schreibmaschine getan. Im Zweifel auch der gute Füllfederhalter.

Lohnte sich der Aufwand? Der Anschaffungspreis? Wie groß wäre der Verzicht tatsächlich, wenn man sich gegen diese aufgeblasenen Techniken entscheiden würde? Und dafür wüßte, was man wirklich will. Handy abschaffen, wieder Briefe schreiben (geht alles, auch in der heutigen Zeit! Selbst die Vinylplatten sind erhalten geblieben). Ich könnte sogar zur Arbeit laufen und das Auto stehen lassen (oder verkaufen). Es gibt eine Wahl und scheinbar doch nicht.

Was ist wichtig? Was für Probleme habe ich tatsächlich? Und wie löse ich sie?

Unsere Gesellschaft hat etwas von einer Angstmaschine, die uns fürchten macht, dass wir Möglichkeiten verpassen, über deren Wert für unser Leben wir nicht nachdenken sollen. Aus dieser Angst kaufen wir jedes Werkzeug ohne darüber nachzudenken, was wir überhaupt bauen wollen.

Wählen!

Sonntag, 9. September 2007

Gotteslästerung

Verdeckt unter dem Mantel der vermeintlich gezähmten, westlichen Religionen, insb. des Katholizismus, die so friedenslichtern und taizésingend daherkommen, findet in seiner Fundamentalität fast unbemerkt ein neuer Kampf um die Macht in unserer Gesellschaft statt. Im Windschatten einer Extremismusdiskussion werden Forderungen laut, Gotteslästerungen unter Strafe zu stellen, wie jetzt beispielsweise aus Bayern.

Wieder ein Zeichen mehr dafür, wie schwach die Überzeugungen der Kirchen und ihrer Mitglieder sind, wie wenig Selbstvertrauen sie auf die Wirksamkeit ihrer eigenen Botschaften haben. Wieder ein Zeichen, dass es eigentlich um etwas ganz anderes geht als um Theologie, nämlich um die Vorherrschaft über Wirklichkeitsdeutungen und ihre Durchsetzung. In einer Zeit nach den großen Ideologien des Kalten Krieges sind wir unsensibel gegenüber den Gefahren, die Sprach- und Denksysteme darstellen können, auch wenn sie (noch) keine spürbaren Auswirkungen auf unseren Alltag darstellen. Hier geht es um die Vorbereitung einer mittelfristigen Entwicklung, um die Herstellung eines Fundamentes für ein Gebäude, dessen Gestalt wir mißbilligen würden, lägen die Pläne offen auf dem Tisch.

Wie jede Selbstverständlichkeit sind uns die Errungenschaften der Moderne (anders als ihre immer deutlicher werdenden Schattenseiten und Gefahren!) nicht in dem Maße bewußt, wie es gegenüber den konservativen Gefahren gerechtfertigt wäre. Moderne ist nicht zuletzt ein Unternehmen, dessen Fundament der Freiheitsgedanke ist (nicht die Freiheit, sondern das Denken und Sprechen von Freiheit!). Je mehr Freiheit im Zuge dieses Projekts verwirklicht wird, um so mehr erstarkt ein Gefühl von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit - jedenfalls solange wir nicht Bildungsinstitutionen schaffen, die den Umgang mit der Freiheit, die Formgebung des eigenen Lebens, tradieren. Hier besteht eine Lücke.

Und wie jeder Riß im Asphalt, jede Nische einer Mauer mit Unkraut (auch wenn es schön blühen sollte, es bleibt Unkraut) zuwuchert, wird auch diese gesellschaftliche Nische sofort besetzt, namentlich durch die Pharisäer mit ihrer Gesetzes- und Dogmengläubigkeit, sei es der Islam, der Katholizismus oder evangelische Freikirchen. Sie geben mit einem Male Halt im Übermaß, bieten Antworten, nicht Fragen und endlich trennt sich klar Schwarzes von Weißem. Dazu gibt es noch Superstars gratis (Ratzinger), die sich mit Benedetto-Chören anbeten lassen. Wieso eigentlich unterbindet ein Stellvertreter Christi nicht solche heidnischen Personenkulte? Weil es um Macht geht. Weil es um Weltbilder geht, um Deutungshoheit.

Die Moderne selbst ist durch die Postulation der menschlichen Autonomie eine Gotteslästerung an sich. Die Forderung nach einer Strafbarkeit derselben - auf welchen leisen Sohlen sie auch eingeführt wird - ist antimodern und bereitet den Boden vor, für Entwicklungen, die Probleme einer modernen Gesellschaft nicht lösen sondern uns in Probleme einer mittelalterlichen Gesellschaft zurückführen, um ihnen dann mit ebenso mittelalterlichen Denkfiguren zu begegnen: Eine Lösung erfolgt damit aber keineswegs.

Stellen wir uns doch den Problemen unserer Zeit; versuchen wir sie mit den Mitteln unseres modernen Denkens zu bewältigen. Warum sollte ein Gottesglaube hilfreicher sein als menschliche Vernunft? Lernen wir doch, unsere (natürlich fehlerbehaftete) Selbstformung und -gesetzgebung zu verbessern und Methoden derselben an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Wieso stattdessen wieder in Sprach- und Denkstrukturen zurückfallen, die aus Zeiten übelster Monarchie herrühren und uns wieder in (nicht begründete, willkürliche) Hierarchien ein- und unterodnen wollen. Lieber der Macht von potentielle demokratisch sanktionierbaren Konzernen ausgesetzt sein als der Macht einer nicht mehr zu hinterfragenden göttlichen Regierung (hier wird in der katholischen Kirche oft das Wort "Geheimnis" aus der Tasche gezaubert und auf die Schrift verwiesen - Glauben sei eben kein Wissen!). Dass Religion, insb. die katholische die Vernunft nach ihrem Gutdünken einsetzt oder aber auch ignoriert, zeigt Papst Benedikt in seiner Veröffentlichung über Jesus: Hier ignoriert er nicht nur die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibel-Forschung, er greift die Vertreter dieser anerkannten Wissenschaftsrichtung auch noch an. Nein, hier geht es nicht um die Suche nach Wahrheit, hier geht es unerbittlich und strategisch um Macht, und zwar um sehr weltliche Macht.

Eine Religion muss sich der Kritik, aber auch dem Spott stellen, so lange es keine persönliche, und damit selbstverständlich strafbare Beleidigung i.S.d. StGB ist. Eine Karikatur des Papstes kann an diesen Maßstäben gemessen werden, wie die Karikatur jeder anderen Person.

Die Motive (cui bono?) und die Legitimation der Strafbarkeit einer "Beleidigung" gegenüber einer Weltanschauung, eines Denksystems als solchem - wie es eine Gotteslästerung eigentlich wäre - sollten sehr genau überprüfg werden. Ich möchte doch noch öffentlich behaupten dürfen: Der bayrische Katholizismus ist ein kompletter Unfug, Alt-Ötting ein heidnisches Massenspektakel und das Papsttum in seiner jetzigen Form ein Blinddarm der Weltgeschichte - und zwar ohne dafür bestraft zu werden. Ja wo leben wir denn sonst?
Dafür aktzeptiere ich gerne, wenn mir ein evangelischer Freikirchenanghänger ins Gesicht sagt, dass er zwar zu den Geretteten gehören wird (er betont mehrfach sein sicheres Wissen), ich aber ohne einen Wechsel zu seiner wörtlichen Bibelgläubigkeit in der Hölle schmachten werde. Ich finde ehrlich gesagt "Arschloch" eine punktuellere Charakteraussage als "Du wirst ewig in der Hölle brutscheln", insofern auch weniger beleidigend, aber sei's drum.

Bei mir mehrt sich der Verdacht, dass einzig ein eigenständigeres Denken frei macht, nicht der Glaube (ich habe lange letzteres für möglich gehalten) und auch die Vermutung, dass Jesus weniger Wallfahrten nach Alt-Ötting beabsichtigt hat denn eine Mehrung eigenen und eigenverantwortlichen Denkens und Handelns, hier lohnt sich, auch für jeden Kirchenkritiker, die Lektüre des Neuen Testaments.

Liebes Deutschland, liebes Bayern, liebe Katholiken: Haltet die Gotteslästerung straffrei und laßt ihn doch einfach selbst über die Lästerer richten! Er muß sich dann auch nicht an die Grenzen der deutschen Strafvollzugsgesetze halten, und wir würden dafür nicht 3 Jahrhunderte europäische Geistesgeschichte über Bord werfen, überelegt es Euch!

Freitag, 7. September 2007

Verknüpfungen

Die Komplexität von Relationen begründet den Status von Individualität. Menschen haben ein hohes Relations- und somit Individualitätspotential, dessen Indikator möglicherweise das Gefühl von Sinnerleben ist. Denn Sinn und Bedeutung ergeben sich über Verknüpfungen von Denkinhalten zu einer Struktur. Ich vermute allerdings, dass Verknüpfung lediglch die notwendige aber noch nicht die hinreichende Bedingung für Sinn ist. Es bedarf noch einer gewissen Ordnung, einer für das jeweilige Subjekt einsichtigen spezifischen Qualität der Inbeziehungssetzung, um Sinn herzustellen. Wahlloses "verlinken" steigert zwar die Komplexität, verhindert aber ein Gefühl von minmaler Beherrschbarkeit i.S. einer potentiellen Zielperspektive: Die Daten beherrschen mich, nicht umgekehrt. Erst die (Aus-)Wahl gewollter Verknüpfungen durch die Definition von Mindestkriterien garantiert eine Ordnung, die so komplex ist, daß sie Individualität garantiert, gleichzeitig aber strukturell so eingeschränkt bleibt, daß ein handelndes Subjekt im Zentrum der Relationen steht. Ohne Wahl kein Sinn.
Peter Handke: Alles was schön ist und nicht weh tut kann man kaufen.

Da ist was dran!

Donnerstag, 6. September 2007

Starke Frau

Eine junge Frau sitzt mir gegenüber, sie ist mit einem Kopftuch verschleiert, eine Irakerin. Sie spricht mit Akzent, hat mir eben ganz selbstverständlich die Hand zur Begrüßung gegeben (was für deutsche Konvertitinnen zum Islam ein Tabu ist!) und legt mir ein paar amtliche Briefe auf den Tisch. Ihr Mann hat vor wenigen Monaten einen Schlaganfall erlitten, ist in Krankenhäusern, Rehakliniken und Heimen gewesen. Sie erzählt, dass er kaum sprechen kann. Wenn sie ihn besucht, so sagt sie, erzähle sie nur schöne Sachen, versuche ihn zum Lachen zu bringen. Er soll Ruhe haben, Ruhe vor all dem Chaos und den Schwierigkeiten, die inzwischen so alltäglich für mich geworden sind. Sie äußert keine Klage, beschwert sich nicht, hadert nicht. Sie möchte ihn nur wieder nach Hause holen, ihren Mann, der noch keine 40 Jahre alt ist und schon ein Pflegefall. Sie hat die Hoffnung, dass er wenigstens wieder laufen lernt. Ich wünsche es ihr und ihrem Kind sehr. Mit mir wird sie in den nächsten Monaten über die Dinge sprechen, die ihr Mann nicht erfahren soll, um in Ruhe genesen zu können. Eine zutiefst befriedigende Arbeit. Eine unglaublich starke Frau.

Mittwoch, 5. September 2007

Nachtgedanke

Früher las man, jetzt sitzt man mit dem Laptop im Bett und versucht, ob das 'Posten' via email funktioniert. An so einfachen Dingen erkennt man, dass sich die Zeiten verändern, sehr verändern...

Das Buch als Welt

Wissenssoziologie - das Lehrbuch begleitet mich jetzt seit Wochen, doch ich komme nur langsam voran. Es ist eine Vorbereitung auf eine empirische Forschungsarbeit, notwendig und interessant, aber gerade deshalb will ich es nicht nur überfliegen. Ich schreibe mir zentrale Gedanken auf Zettel, will es zu einer größeren Materialsammlung ausbauen. Strukturen sollen in Mindmaps festgehalten werden (ich schätze inzwischen FreeMind sehr).

Doch all dies geht in die Richtung Perfektionismus, nimmt die Leichtigkeit im Umgang mit dem Stoff und damit auch Lust und Kreativität. Ich zwinge mich, auch abschnittsweise vorzugehen, im Text zu arbeiten, anzustreichen, Kommentare an den Rand zu schreiben. Spielerischer Umgang mit der Materie ist allererste Voraussetzung erfolgreicher Arbeit. Wenn es gelingt, Struktur und Spiel miteinander zu vereinen, akkumuliert sich die Qualität exponential. Es sind fast Flow-Erlebnisse , wenn dieser Prozess in Gang kommt. Doch der Weg bis hierhin kann steinig sein.

Voraussetzung ist, dass man sich in den Stoff regelrecht verstricken läßt (ein wunderbarer Begriff aus dem Wortschatz John Deweys). Ein Arbeits- oder Lernobjekt ist eben im günstigen Fall kein Objekt mehr sondern verschränkt sich mit dem Subjekt, ich würde sogar sagen, wird Teil seiner Wirklichkeit - oder sogar ein eigenes Universum, sofern es das hergibt. Non scholae sed vitae discimus - stimmt aber auch nicht ganz, denn es ist kein Lernen für das Leben sondern ein Leben, das bereits im Lernen Leben ist und immer mehr Leben wird. Wie anders als über die Materie, mit der wir uns intensiv beschäftigen, sei es als Landwirt oder als Professor, erlangen wir Kenntnisse über unsere Welt, bauen wir unsere Welt, unsere Wirklichkeit erst auf?

In meiner Lernlaufbahn gab es keine Bücher, die ganz offen zur Grundlage einer Welterschließung durch Lektüre und Diskussion wurden, wie man es von Sartres "Sein und Nichts" oder von Adorno/Horkheimer "Die Dialektik der Aufklärung" hört. Vermittelt über die Lektüre eine Zeit lang mit dem Buch und mit anderen in einer (neuen) Welt leben, das hört sich verlockend an, das gibt Büchern eine Aura, die schon fast religiös ist.

Das religiöse Element hat möglicherweise damit zu tun, dass es bei dem Gedankenuniversum eines Buches ebenso wie in der geschlossenen Welt einer Religion einen festen Lebensrahmen gibt, eine begrenzte, eingerahmte Wirklichkeit, eine handhabbare Perspektive, die das Chaos - jedenfalls bis zum ersten grundlegenden Zweifel - für eine Zeit lang lebbar und zusammenhängend, also sinnvoll macht. Wahrscheinlich ist es diese Sehnsucht nach Sinn, Zusammenhang und Handhabbarkeit, der hinter dem Wunsch nach einem "Kultbuch" steht.

Krittel ist online

So, so: Blogger teilt mir mit, dass es von Wert sein könnte, im weltweiten Netz mit von der Partie zu sein. Dann wollen wir das auch mal tun! Ich bin gespannt, ob sich für diese Einträge irgendjemand interessiert, vermute aber eher, dass sie ungelesen virtuellen Raum besetzen werden, um beim nächsten Systemwechsel evaporisiert zu werden. Sei's drum. Schreiben soll ja schon als Tätigkeit an sich einen Wert haben.