Samstag, 19. Dezember 2009

Herr Bundespräsident: keine ideologische Indoktrinierung von Kindern!

Haltet die fanatisierenden, gesellschaftsspaltenden Schriften wenigstens von den Kindern fern:

Brief der Giordano-Bruno-Stiftung an den obersten Repräsentanten eines angeblich säkularen, laizistischen Staates

Aber selber Denken liegt nicht im Trend!

Montag, 2. November 2009

Schweinegrippe politisch: Impfstoff "FDP"

In diesen Tagen drängt sich ein Vergleich zwischen der Regierungsbildung und der drohenden Pandemie einer sog. "Schweinegrippe" geradezu auf:

Läuft es gut, ist die FDP eine Art Impfstoff (mit der CDU als Wirkverstärker), der geeignet sein kann, in den nächsten 4 Jahren genügend Antikörper gegen Asozialität, Neoliberalismus und Blasiertheit zu erzeugen, um eine tatsächliche und lebensgefährliche Erkrankung der Gesamtgesellschaft an dieser Epedemie, also der Wiederwahl der Koalition zu verhindern. Die Impfung wird natürlich nicht ohne Nebenwirkung bleiben, hoffen wir nur, dass diese den Patienten nicht schon so schwächen, dass er der eigentlichen Erkrankung nichts mehr entgegensetzen kann.

Das Immunsystem Deutschlands hatte sich durch eine Autoimmunerkrankung mit der Bezeichnung "SPD" in den letzten Jahren selbst in erheblichem Ausmaße geschwächt, die furchtbaren Symptome hießen "Schröder", "Hartz" und "Agenda 2010". Es scheint aber erste Anzeichen für seine Stärkung zu geben, auch wenn außer Kontrolle geratene Killerzellen, sog. "Steinmeier", immer noch den Organismus selbst angreifen.

Der Impsfoff "FDP" ist übrigens nicht billig - er wird zumindest die lebenserhaltenden Organe teuer zu stehen bekommen, auch wenn die Auswahl an der Wahlurne noch kostenlos war. Der Schmuck des Körpers, sozusagen die nicht-infektionsbedrohte Haarpracht und von-Guttenbergsche-Gel-Welle außerhalb der organischen Niederungen (Vorstände, Millonäre, Charity-Ladies, Schönheitschirurgen, Manager), profitieren kostenlos von der Impfung. Sie wird nämlich dafür sorgen, dass der ihnen eigentlich lästige Körper unterhalb der Haargrenze überhaupt am Leben bleibt, auch wenn eine Frisur das manels Einblick nicht verstehen kann. Wäre ja auch schade, wenn das Haar wegen eines nicht-autorisierten Zusammenbruchs der schnöden Organe ihr stolzes Wachstum, Frisiertwerden und Herumgetrage einstellen müsste, tss!

Was helfen soll, muss aber eben auch weh tun, und so betrachtet, versprechen die wirksamen Bestandteile des Impfstoffes wie "Westerwelle", "Niebel", "Rößler" und "Brüderle" eine höchstmögliche Wirksamkeit! Aua!

Mehr Netto vom Brutto

Sehr schönes Zitat:
' ich hatte heute ein werbeblatt vom discounter NETTO im briefkasten….und wenn ich mir dann so den koalitionsvertrag ansehe, dann wird mir endlich klar, was die FDP gemeint hat mit: “Mehr NETTO vom brutto .'" Quelle

Freitag, 30. Oktober 2009

Politisch-gesellschaftlicher Ziele

Grundsätze
  • Ent-Ökonomisierung der nicht primär-wirtschaftlichen Bereiche der Gesellschaft. Die Kriterien von Profit und marktwirtschaftlichem Wettbewerb werden als Leitkriterien bewußt auf bestimmte gesellschaftliche Gebiete beschränkt und auch dort sozialen Regeln unterworfen
  • Solidarität und Ausgleich zwischen Gesellschaftsgruppen
  • Immer die Perspektive von Ressourcen und Fördermöglichkeiten als Grundsatz einnehmen. Keine Investition in Menschen ist (jedenfalls auf längere Sicht und im Durchschnitt) nutzlos, weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich/moralisch
  • Frei und zur (Mit-)Gestaltung fähig ist nicht derjenige, der auf sich selbst gestellt ist, also möglichst wenig Regeln unterliegt, sondern derjenige, der ausreichend Möglichkeiten und Instrumente zur Verwirklichung seiner Fähigkeiten und Ideen erreichen kann. Der Staat muss hier mindestens die Rahmenbedingungen schaffen, um für jeden eine wirtschaftliche Weiterentwicklung tatsächlich und nicht nur theoretisch zu ermöglichen.
  • Soziale Mobilität muss bis in die Spitzen der Gesellschaft zur Regel werden.
  • Der Staat ist kein Gegenspieler, den es zu überlisten gilt sondern die Grundlage für ein gedeihliches Zusammenleben und der einzige Garant für allgemeinen Wohlstand. Es liegt im Interesse aller, dass der Staat stark ist aber nur im Interesse der besitzenden Klasse, dass er geschwächt wird. Denn auch Arbeitgeber und Reiche profitieren vom Staat, also ihren Steuerzahlungen, mit denen sie sich eine komplette Infrastruktur und ein gesellschaftliches Umfeld erkaufen, das ihren Reichtumg und ihre Zufriedenheit erst in diesem Maße möglich macht. Insofern "verlieren" sie das Geld nicht, das sie als Steuern zahlen, sondern erhalten für den größten Teil eine greifbare und direkt nützliche Gegenleistung, die sie sonst - im Gegensatz zur ärmeren Bevölkerung - von diesem Geld selbst auf dem Markt kaufen könnte und auch müßte. Vermutlich wäre dies weniger effektiv, teilweise unmöglich (z.B. Straßennetz) und sogar teurer als ein gemeinschaftlich organisiertes System öffentlicher Leistungen.

Gesundheit
  • Alle Einkommen (also auch Selbständige und Kapitaleinkommen) leisten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, und zwar solidarisch geteilt von ArbG und ArbN. Ebenso für die weiteren Sozialversicherungszweige.
  • Die gesetzlichen Versicherungen tragen alle medizinisch notwendigen Behandlungskosten, hierzu gehören selbstverständlich auch Leistungen wie Sehhilfen und Zahnersatz. Das Angebot von notwendigen Leistungen als Sonderleistungen (Sondervergütung) bzw. das Anpreisen nicht-notwendiger Leistungen als notwendig aber besonders zu vergüten, ist rechtswidrig und wird unter Strafe gestellt. Ärzte sind keine Kaufleute.
  • Ent-Privatisierung: Es wird ein ausschließlicher Kontraktionszwang mit der GKV normiert, so dass private Krankenversicherungen und damit der Anreiz zu einer Klassenmedizin im Kern entfallen. Rechtswidrige Zusatzhonorierungen werden unter Strafe gestellt.
Soziale Sicherung, Arbeit
  • Es werden gesetzliche Mindestlöhne eingeführt, die bei einem Alleinverdienerhaushalt und einer 40h-Woche ein Eikommen deutlich über der EU-definierten Armutsgrenze bedeuten
  • Ist ein Arbeitgeber der Ansicht, dass er aus Gründen der Marktstruktur den Mindestlohn nicht zahlen kann, so hat er die Möglichkeit unter Offenlegung seiner Betriebsdaten einen Lohnzuschuss zu beantragen. Der Arbeitnehmer ist hierin nicht involviert, er erhält für seine Arbeit jedenfalls privatrechtlich den Mindestlohn. Eine Aufstockung durch Sozialleistungen (Alg II) entfällt für Vollzeitarbeit damit komplett. Die Bundesregierung/der Bundestag kann zur Förderung bestimmter Wirtschaftszweige und Regionen die Kriterien für Zuschüsse zur Erreichung des Mindestlohnes variabel bestimmen.
  • Alle Menschen erhalten einen Anspruch auf sozialpädagogische Hilfe und Begleitung in schwierigen Lebenslagen, unabhängig von ihren Einkommens- und Sozialleistungsansprüchen
  • Es wird ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt für diejenigen dauerhaft eingerichtet, die gemeinsam mit den Behörden entscheiden, dass sie dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum keine Chance auf dem freien Arbeitsmarkt haben. Diese Arbeitsbereiche sollen vornehmlich infrastrukturellen und sozialen Belangen verpflichtet sein.
  • Abschaffung von gewerblichen Minijobs. Alle Arbeitsverhältnisse werden vom ersten Cent an sozialversicherungspflichtig.
  • Verbot von Leiharbeit und Zeitarbeit, also der modernen Form von Sklaverei.
  • Abschaffung der Befristungsmöglichkeit von Arbeitsverträgen ohne spezifischen Grund. Es gibt eine Probearbeitszeit, danach erfolgt eine unbefristete Einstellung. Kündigungsschutz besteht bei Betrieben über 5 Arbeitnehmern (nach Maßgabe des bisherigen KSchG). Begründete Befristungen sind weiterhin möglich.
  • Wegfall der Riester-Rente, die hauptsächlich den Versicherungskonzernen nutzt und unnötige Kosten verursacht. Die Rente wird über die solidarisch organisierte Rentenversicherung gewährleistet und ggf. dort mit Zuschüssen aus Steuern gefördert.
  • Wiedereinführung der gesetzlichen Arbeitsunfähigkeitsversicherung.
Bildung, Ausbildung
  • Staatliche Bildung und Ausbildung ist für die Bürger grundsätzlich kostenlos (Schule, zweiter Bildungsweg, Berufsschule, FH, Universität, div. Fortbildungsmöglichkeiten)
  • Der Wunsch, an einer Bildungs-/Ausbildungsmaßnahme teilzunehmen, muss als Chance begriffen werden, das Können, Wissen und die Werte des Einzelnen für die Gesamtgesellschaft zu fördern und letztlich auch verfügbar und nutzbar zu machen. Der Einzelne gibt seine Lebenszeit, sein Engagement und stellt - wenn nicht mehr in der Erstausbildung - seinen Lebensunterhalt sicher, der Staat schafft die notwendigen institutionellen Angebote.
  • Für die Erstausbildung erhält jeder, der seine Bedürftigkeit nachweist, eine Förderung, die das Einkommen der EU-Armutsgrenze unter Berücksichtigung der besonderen Bedarfe der Ausbildung (Fachbücher) etc. übersteigt. Die Förderdauer ist begrenzt. Eine Rückforderung wird, jedenfalls bei erfolgreichem Abschluss, nicht geltend gemacht.
  • Offensichtliche Umgehungen von Zugangsbeschränkgungen (z.B. Physikum in Budapest) werden nicht anerkannt.
  • Abschaffung von Bachelor- und Masterstudiengängen
  • Abschaffung des G8, Wiedereinführung des dezentralen G9-Abiturs
  • Vollständige Abschaffung und das Verbot von Privatschulen
  • Neue Schulgliederung und Differenzierungsmechanik, die solidarisches Lernen über die Grundschule hinaus ermöglicht (z.B. Gesamtschule). Jedenfalls: Schaffung von Möglichkeiten für Schüler, jederzeit in höher qualifizierende Kurse/Schulen zu wechseln und an bisherigen Stand anzuknüpfen
  • (Wieder-)Einrichtung eines leistungsstarken und konstanten akdamischen Unterbaus an den Universitäten: Unbefristete WissMA-Stellen in den Instituten, die eine akdamische Laufbahn aber auch eine qualititativ hochwertige Lehre möglich machen
Wirtschaft u. Finanzen
  • Besteuerung von Finanztransaktionen
  • Vermögenssteuer
  • Abschaffung von Steuerprivilegien für Reiche und Bestverdiener (Absetzmöglichkeiten, Schlupflöcher, Auslandsvermögen)

(weitere Positionen folgen)

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Was zwischen uns ist ...

"Notwendig für den Streit sind soziale Rahmenbedingungen (latente Ursachen) – zum Beispiel anhaltender Wettbewerb oder entgegengesetzte Interessen zwischen Einzelnen oder Gruppierungen. Dabei spielen i. d. R. unterschiedliche bzw. nicht vereinbare Orientierungen (Bewertungen bzw. Planungsvorstellungen oder Handlungsplanungen) im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt eine zentrale Rolle.

Sein manifester Ausbruch wird von persönlicher Merkmalen eingefärbt (z. B. von Eifersucht, Hass, Neid, Ruhmsucht) und bedarf des Anlasses. Anlässe können gewichtig oder fast nichtig sein, zu ihnen gehört auch die innere Bereitschaft der Akteure, einen Streit vom Zaun zu brechen." (Wikipedia)

Soziale Rahmenbedingungen
Stress, Ehe, Krankheit, Überlastung, verschiedene Lebenseinstellungen

Orientierungen
"Du könntest ja auch mal von selbst drauf kommen, die Wäsche zu waschen" gegen "Nicht immer in diesem Ton, und die Wäsche ist nicht das Wichtigste"

Persönliche Merkmale
Revierverteidigung, Gerechtigkeitssorgen, Selbstsorge

Anlass
Ein ganz, ganz schlechter Donnerstag Abend

Sonntag, 7. Juni 2009

Schöner Schreiben - Blogfund

Zum Thema Notizbücher und Notizenmachen sind gleich zwei Blogfunde zu melden:

Deutssprachig informiert der Blog Notizbuchblog.

Schön gemacht ist auch die englischsprachige Seite Notebook Stories.

Ts, dass es noch genauso bekloppte Menschen wie einen selbst da draußen gibt, beruhigt und beunruhigt gleichermaßen!

Schöner Schreiben - Blogfund

Unter dem Motto "Unsortierte Alltäglichkeiten, merkwürdige Dinge und Bleistifte." listet der Blog Lexikaliker eine Menge interessanter Beobachtungen, Fotografien, Information und Tests zu diesem scribophilen Themenkreis auf. Verfolgenswert.

Samstag, 6. Juni 2009

Idiosynkratische Intoleranz der Religionen

Rafael Seligmann:

"(...) Dass die monotheistischen Religionen allen Lippenbekenntnissen zum Trotz intolerant sind, ja ob ihrer wechselseitigen Nähe intolerant sein müssen. Das Gebot: "Du sollst neben mir keine anderen Götter haben" ist Programm, gerade im Verhältnis der abrahamitischen Religionen untereinander. (...)" (Quelle: SPIEGEL Archiv, Hervorhebung d. krittel)

Montag, 20. April 2009

Soziale Netzwerke: Gesundheitsprophylaxe

Wir sind eben doch Rudeltiere und werden krank, wenn man uns isoliert: http://images.zeit.de/text/2009/17/M-Zusammen-Titel
 
Wer in der Sozialen Arbeit beschäftigt ist, erfährt die Auswirkungen einer solchen Vereinzelung täglich. Das wichtigste, was wir Menschen geben können, ist - Zeit!

Sonntag, 19. April 2009

Renaissance des Entfremdungsbegriffs?

Die Sozialphilosophin Rahel Jaeggi beschreibt in einem Spiegel-Online-Interview    die Entfremdung als ein gesellschaftliches, strukturelles Problem:
 
"Nach meiner Theorie ist ein Mensch entfremdet, dessen Selbst- und Weltbezug gestört ist. Er fühlt sich fremd seinem eigenen Leben gegenüber, seinen Handlungen oder seinen Wünschen gegenüber, er ist beziehungslos gegenüber der sozialen, aber auch der dinglichen Welt, die ihn umgibt. Der entfremdete Mensch hat den Eindruck, dass nicht er selbst es ist, der autonom sein Leben steuert. Es geht also um eine eher formale Definition. Man sollte gar nicht erst danach fragen, wer man "wirklich ist", oder was man wirklich will in einer Art und Weise, die suggeriert, es gäbe da einen unhintergehbar "inneren Kern". Dennoch lassen sich in der Art und Weise, wie wir uns auf das, was wir tun, beziehen können, oder wie wir uns etwa in sozialen Rollen bewegen, und wie "anschlussfähig" und offen die Erfahrungen sind, die wir machen, Defizite erkennen. Entfremdung ist dann eine Störung von Aneignungsvollzügen."
 
In diese Entfremdungssituationen wird man nicht gezwungen, man schlittert oftmals biographisch "gewollt" in sie hinein:
 
"(...) Aber die Dinge haben eine Eigendynamik gewonnen, eines kommt zum anderen, und so schlittert er in diese neue Lebenssituation, die zugleich eigentümlich erstarrt ist: Ohne drastische Maßnahmen kommt er da nicht mehr raus. Nicht er lebt sein Leben, sondern das Leben lebt ihn. Für die Analyse solcher Erfahrungen eignet sich der Entfremdungsbegriff. Mir geht es dabei gerade nicht um die psychologische, sondern um die strukturelle Dimension dieses Geschehens."
 
Was aber ist dann ein nicht-entfremdetes Leben? Jaeggi füllt dieses Begriff nicht inhaltlich, als eine substantiell festgelegte Beschreibung eines Glückszustandes sondern umreißt mit ihm Grundstrukturen:
 
"Nicht entfremdet zu sein, bezeichnet eine bestimmte Weise des Vollzugs des eigenen Lebens. Es wäre ein Leben, in dem man selbstbestimmt seine Projekte verfolgt, die man sich dabei zu eigen macht und mit denen man sich identifizieren kann. Nicht-Entfremdung ist weder ein harmonisch-konfliktfreier Zustand noch ist es identisch mit dem, was manche Menschen als "Glück" bezeichnen, aber vielleicht ist es das Einzige, was wir über das gute Leben sagen können oder sollten. "
 
Anschlussfähigkeit und Aneignungsfähigkeit von gesellschaftlichen und materiellen Umständen sei die Voraussetzung für Nicht-Entfremdung, was somit nicht mehr (nur) dem Einzelnen obliegt sondern zu einer politischen Aufgabe wird.
 
Hierzu paßt der Gedanke, den Georg Simmel vor 100 Jahren notierte:
 
"Die tiefsten Probleme des modernen Lebens quellen aus dem Anspruch des Individuums, die Selbständigkeit und Eigenart seines Daseins gegen die Übermächte der Gesellschaft, des geschichtlich Ererbten, der äußerlichen Kultur und Technik des Lebens zu bewahren - die letzterreichte Umgestaltung des Kampfes mit der Natur, den der primitive Mensch um seine leibliche Existenz zu führen hat."
(aus: Die Großstädte und das Geistesleben)
 
 

Und ein weiterer von Heinz Abels über die Moderne:

"Die Moderne bereitet und Unbehagen, weil wir auf der einen Seite ermuntert werden, uns und unsere Individualität zu betonen und auszuleben, auf der anderen Seite aber spüren, dass wir nur mithalten können, wenn wir uns permanent nach Maßstäben richten, die die große Gesellschaft wie die kleinen, auch nicht mehr festen Gemeinschaften diktieren. Der Rahmen für die Autonomie des Individuums ist eng geworden." (Abels, Identität, S. 20)

Die Kunst des Reisens

"Erstens: Reisen ist eine bewusste Bewegung ins Unsichere. (...)
Zweitens: Reisen ist Befreiung durch Begegnung. Warum geht
man weg? Um zu sehen, wie andere Menschen und Völker
diesen Planeten bewohnen. Und um zu sehen, wie andere
Menschen, für die wir Fremde sind, uns wahrnehmen und
begegnen. (...)
Drittens: Reisen sind Geburtshelfer von Gedanken.(...)
 
Besonders schön finde ich die dritte These, die ein wenig an Kleist erinnert:
 
Über die Verfertigung der Gedanken beim Reden
 
"Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen. (...)"
 
 
Vielleicht könnte man gleiches behaupten über die "Verfertigung der Gedanken beim Wandern"!

Facebook-Nutzer haben schlechtere Noten

Ein Nachtrag zu den Überlegungen der Aberziehung von Kulturfähigkeiten: Spiegel online berichtet über eine quantitative Studie, die eine starke Nutzung von Online-Commuties in einen statistischen Zusammenhang mit schlechteren Uni-Noten bringt (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,619583,00.html).
 
Natürlich ist bei dieser quantitativen Forschung höchste Vorsicht angesagt, da ja die Ursachenzusammenhänge weitestgehend im Dunkeln bleiben (wie der Bericht ja auch selbst einschränkend anführt).
 
Eine mögliche Erklärung weist jedoch Parallelen zu meinem Gedankenversuch auf:
 
"So fand die Oxforder Neurowissenschaftlerin Susan Greenfeld im Februar heraus, dass Personen, die viel Zeit in Online-Netzwerken verbringen, Probleme haben, sich über längere Zeit zu konzentrieren. Facebook und Co seien darauf angelegt, ihren Nutzern ständig kurze Erfolgserlebnisse zu bieten. User würden daher "wie kleine Kinder" eine schnelle Belohnung ihrer Anstrengungen erwarten."
 
Interessant wäre allerdings noch eine Längsschnittstudie der Absolventen unter Einbeziehung der Habitustheorie von Bourdieu, die neben kulturellem Kapital (das hier ja augenscheinlich vermindert wird) auch den Wert des sozialen Kapitals berücksichtigt (das ja möglicherweise im Gegenzug durch Facebook gefördert wird).
 
Haben die dümmeren nach dem Studium einfach die besseren Netzwerke oder wenigstens die höhere Kompetenz, sich kommunikativ auf irgendeinen Posten an den wissenderen durchzumogeln? Oder sind sie einfach glücklicher, weil sozial eingebettet (wäre ja auch schon was!).

Samstag, 18. April 2009

Religion macht krank

"Mein kleines Jerusalem" (http://www.arte.tv/de/2525662.html)  zeigt wieder einmal anschaulich, wie krankhaft Religion als solche ist.
 
Das kleine Jerusalem / Little Jerusalem ( La Petite Jérusalem ) [ Australische Fassung, Keine Deutsche Sprache ]
 
Sie erfüllt den gesellschaftlichen Zweck, dass sie Gewissheiten und Halt  bietet, und das gelingt nur, wenn sie ihre Zweckhaftigkeit leugnet, also absolute Geltungsansprüche stellt.
 
So klammern sich die Menschen an diese vermeintliche Gewissheit, pressen ihren kleinen Kopf so dicht an diesen scheinheiligen Retter, dass ihnen der Blick auf andere unmöglich wird. Schließlich können sie sich selbst nicht mehr sehen ebenso wie die gesamte Welt. Sie haben sich in die klebrige Masse der Religion hineingedrückt und werden von ihr nicht mehr losgelassen.
 
Religion trennt. Und anders als andere gesellschaftliche Gruppierungen tut sie dies so gesetzesartig und emotional besetzend, dass sie auf kurz oder lang Hass gebiert und zu Kriegen führt.
 
Religion ist zutiefst antidemokratisch und wird im Westen m.E. nur geduldet, weil das Christentum im Westen nur noch eine kastrierte Religion ist, eine Endmoräne des Mittelalters. Dort, wo sie mit testosteronprotzender Überzeugung auftaucht, wo z.B. das islamische Mittelalter mitten unter uns Platz greift, wird es deutlich: Freies, aufgeklärtes Denken in demokratischer Kultur ist Religion und vor allem Religionsgemeinschaften nicht nur zuwider sondern wesensfremd und existenzbedrohend.
 
Religion predigt - bestenfalls - Liebe und gebiert Hass, jedenfalls sobald sie in Gruppen gelebt wird.
 
Ich habe den Verdacht, dass ein kritischer Jude vor 2000 Jahren eine ähnliche Erkenntnis hatte und schleunigst von seinen Religionsbrüdern dafür ans Kreuz genagelt wurde. Als er sich nicht mehr wehren konnte, hat man aus ihm einfach einen Religionsstifter gemacht und die ganze Geschichte konnte in einer neuen Variante mit anderer Besetzung von Neuem beginnen. 
 
Vielleicht ist es ganz gut, dass es keinen Gott gibt, er müsste einfach zu viel menschlichen Irrsinn und Wahnsinn ertragen ...

Niemand kann aus seiner Haut

"Das zweite Leben des Monsieur Manesquier"( ), im Bayrischen Fernsehen irgendwann nachts aufgenommen. Vorgestern/gestern gesehen, in Etappen, immer mal zwischendurch. Ist eigentlich nicht gut, große Unsitte, manchmal sogar parallel zum Laptop.
 
Was ist so toll am Leben der anderen? Phänomen Torte - jeder will das Stück, das der andere hat, jedenfalls spätestens nach dem zweiten der eigenen Sorte?
 
Was ist mehr wert: Das Leben der Tat, das des Wortes, das Abenteuer, das behagliche zu Hause?
 
Im Grunde ist es wahrscheinlich gleichgültig. Das denkende Leben hat vielleicht den Vorteil einer angenehmen Breite und Beweglichkeit, einer möglichen Unabhängigkeit von Materiellem.
 
Vielleicht ist der entscheidende Punkt, dass man sich selbst zu dem jeweiligen Leben entscheidet (mutig sein) und es nicht langweilig wird.
 

Die Aberziehung von Kulturleistungen

Der Microbloggingdiensgt Twitter feiert in den USA ungeahnte Siegeszüge (http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/6/0,3672,7555686,00.html).

Mir scheint es, als ob der Erfolg dieser und manch anderer moderner Technik dem Verzicht auf die Erbringung bestimmter Kulturleistungen zu verdanken ist. Bei einer Nachricht von 140 Zeichen brauche ich weder eine besondere Konzentration noch eine bestimmte formale Ettikette, geschweige denn die Fähigkeit, einen längeren Text zu strukturieren und zu formulieren. Das Niveau der Äußerungen bewegt sich (und zwar notwendigerweise) auf der Stufe einer sprachlichen Alltagsäußerung innerhalb der Gesicht-zu-Gesicht-Kommunikation. Das kann JEDER. Auch der gewöhnliche US-Amerikaner, solange Sprache mit zu den anthropologischen Konstanten gerechnet werden darf.

Das Web2.0 schraubt sich somit auf die Fähigkeiten und das Niveau der bildungsmäßig betrachtet untersten Stufe zurück. Kommentare zu Fernsehsendungen beispielsweise müssen nicht mehr geschrieben werden, es genügt ein Video, dass jeder Trottel mit dem Handy aufnehmen und auf Youtube stellen kann. Handy ist ein gutes Stichwort in diesem Zusammenhang: Seine massenhafte Verbreitung ist vielleicht auch dem Umstand zu verdanken, dass auf Geschwätz nun niemand mehr verzichten muss, auch wenn er weit von seinem Mitschwätzer entfernt sein sollte.

Das ist ja im Grunde auch nicht problematisch, da wir alle Alltags-Schwätzer und somit in gewissem Grade auch Kulturignoranten sind. Nur: vormals waren wir wenigstens zu bestimmten formalen Anlässen gezwungen, uns höheren Kulturtechniken zu bedienen und diese einzuüben, im besten Falle sogar voranzutreiben. Diese Notwendigkeit hierzu geht uns durch die Absenkung der technischen Mitmachschwelle verloren, die eine Ausweitung schnoddrigen, bequemen Alltagsgewohnheiten in bisher unbekanntem Maße ermöglicht.

Der wirklich entscheidende Punkt ist aus meiner Sicht eine ungünstige Auswirkung dieser Technik auf das absolut zur Verfügung stehende Zeitbudged jedes einzelnen: Jeder hat nur 24 Stunden am Tag, regelmäßig wahrscheinlich eher 16 in wachem Zustand. Arbeit, Ausbildung oder Schule und die notwendigen Lebenserhaltungsverrichtungen abgezogen bleiben vielleicht noch 6 Stunden zur relativ freien Verfügung übrig. Und die sind jeden Tag nur ein einziges Mal gestaltbar. Wer twittert oder abboniertes Getwitter liest (was sich ja leicht zu Massen summieren soll), kann nicht gleichzeitig konzentriert ein Buch lesen oder einen Brief, entschuldigung - eine email schreiben - oder einfach zusammenhängend über ein Problem nachdenken (Die Besinnung auf ein "Singletasking" finde ich einen nachdenkenswerten Begriff im Bereich der Arbeitsorganisation). Wo eins ist, kann nicht gleichzeitig ein anderes sein. Vor lauter Faszination der Möglichkeiten erlauben wir eine Vermüllung unserer Zeitressourcen, wir werden zu Messies: Ein bißchen Sammmeln ist ok, wahlloses Horten ist krankhaft.

Wahl wird damit zu einer Zumutung, die uns vielleicht im Zeitalter des Briefes häufiger erspart geblieben ist. Eine Zumutung die gleichzeitig unumgehbar ist, wenn wir noch einigermaßen selbstbestimmt bleiben wollen. Das ist keine Lapalie, denn Fremdbestimmung ist nicht nur dem Freigeist unangenehm sondern bietet den Nährboden für eine Vielzahl von psychischen Erkrankungen und gesellschaftlichen Problemen. Es ist vielleicht sogar eine der Grundfragen menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Während uns diese Erkenntnis als relativ frischen Demokraten selbstverständlich erscheint, lassen wir uns durch die Hintertüre medial verführen und überrumpeln.